„Rehasport ist für mich eine Möglichkeit zu lernen“
Den Menschen helfen, ihre Gesundheit zu fördern, ihnen individuelle Bewegungsangebote schaffen, Ansprechpartner und wenn nötig auch mal Seelentröster sein – das beschreibt in Kurzfassung, was Gabriel Zilles zu seinem Aufgabengebiet als zertifizierter Übungsleiter im Rehasport zählt. Seit Oktober 2021 ist der 26-Jährige im Leipziger Behinderten- und Rehasportverein beschäftigt. Wie facettenreich die Arbeit ist und vor allem, welche hohen Anforderungen an Übungsleiter*innen wie ihn gestellt werden, erlebt der studierte Sportwissenschaftler jeden Tag.
Durchschnittlich 15 verschiedene Gruppen bietet der Verein täglich an. Zilles leitet Kurse für Betroffene mit orthopädischen und neurologischen Erkrankungen sowie und Lungen- und Herzsport. Einmal wöchentlich betreut er zudem Menschen mit psychischen Erkrankungen. „Die Intensität und das Bewegungsangebot sind je nach Gruppe ganz unterschiedlich“, erklärt er. „Ich bekomme dadurch ein breites Spektrum des Rehasports zu sehen und kann mich entsprechend meiner Kenntnisse einbringen. Das bereitet mir viel Freude.“
Sich auf jeden Einzelnen individuell einzulassen und ein spezielles Bewegungsangebot zu erstellen, ist genau die Herausforderung, die seine Arbeit für ihn so wertvoll macht und zugleich wichtig werden lässt. Als Rehasport-Übungsleiter nimmt er dabei eine zentrale Rolle ein und verhilft Menschen mithilfe von Sport zu mehr Mobilität, Ausdauer und Kraft. Zudem werden durch ein gezieltes Bewegungsangebot Koordination und Flexibilität wie auch das Selbstbewusstsein gestärkt. „Wir heilen keine Wunder, aber wir helfen dabei, die Gesundheit der Menschen zu fördern“, betont Zilles. Dabei sei es wichtig, die Teilnehmenden entsprechend ihrer Konstitution und ihrem Gesundheitszustand abzuholen. „Man merkt im Kurs, wer aktiv ist. Und es zeichnet eine gute Übungsleitung aus, dass sie erkennt, was sie mit wem machen kann. Ein Herzpatient ist anders aufgestellt als ein Mensch mit psychischen oder orthopädischen Problemen. Herzpatienten sind sensibler für Bewegungen – gerade nach Infarkten. Sie haben manchmal Angst, sind vorsichtig, und man muss sie erst wieder motivieren.“
Dass Teilnehmende mit 86 – wie der Älteste im Herzsport – im hohen Alter noch Kniebeugen machen, sei eher die Ausnahme, sagt Zilles schmunzelnd. „Aber umso schöner, das zu erleben.“ Im täglichen Austausch mit den Teilnehmenden könne er viel lernen – sei es im Umgang mit Erkrankungen, aber auch über die Menschen. „Ich nehme auf, was die vorwiegend älteren Leute mir mitgeben und rückmelden. Soziale Teilhabe ist im Rehasport mindestens genauso wichtig“, betont Zilles. „Ich möchte den Menschen zu mehr Fitness und Wohlbefinden verhelfen, aber genauso bin ich für sie da, wenn sie jemanden zum Reden brauchen oder ihre Sorgen teilen wollen.“
Rehasport sei ein guter Anlass, aktiv zu bleiben, noch dazu für viele ein wichtiger regelmäßiger Termin. „Das ist ein Punkt, den ich gelernt habe. Die Leute kommen aus völlig unterschiedlichen Motivationen heraus. Nach Unfällen geht es ihnen vielfach um schnelle Genesung und Wiederherstellung der eigenen Mobilität. Aber es gibt eben auch Menschen, denen es weniger um Sport als um das wöchentliche Miteinander geht. Sei es, weil sie einsam sind oder zu Hause niemanden mehr haben. Sie freuen sich über die Ablenkung und den Austausch mit Geleichgesinnten“, erklärt Zilles. „Die Schwankungen sind sehr groß. Aber ich spreche für den gesamten Verein, wenn ich sage, dass wir allen eine Anlaufstelle bieten und niemanden zurücklassen.“
Rund 1200 Mitglieder verzeichnet der Leipziger Behinderten- und Rehasportverein, der seit der Fusion mit dem Behindertensportverein Leipzig auch Para Schwimmen, Rollstuhlbasketball, Rollstuhlrugby und Sitzvolleyball beheimatet. Das größte Kursangebot im Rehasport richtet sich an Menschen mit orthopädischen Erkrankungen. Neben Gabriel Zilles kümmern sich sechs weitere Festangestellte und eine Vielzahl an freien Mitarbeiter*innen und Ehrenamtler*innen um die Teilnehmenden in den mehr als 80 aktiven Sportgruppen. „Ich hatte ursprünglich nie das Ziel, in den Rehasport zu gehen“, gibt Zilles zu. Erst als im Studium die Spezialisierung anstand und er sich zwischen Leistungs- und Rehasport entscheiden sollte, „war für mich klar, wohin ich mich orientiere. Die medizinische Seite interessiert mich einfach mehr“, begründet er seinen Schritt.
Im Rahmen eines halbjährigen Praktikums entstand der Kontakt mit dem Leipziger Behinderten- und Rehasportverein, wo Zilles erstmals in den Rehasport hineinschnupperte und die Praxis kennenlernte. Wenn auch zunächst nur in reduzierter Form, denn im Zuge der Corona-Pandemie fanden zweitweise keine Gruppen statt. „Das war eine schwierige Zeit – auch und gerade für den Sport“, betont der Sportwissenschaftler.
Als Rehasport mit Rezept wieder möglich wurde, begann Zilles als freier Mitarbeiter. Durch sein Studium hatte er diverse Qualifikationen erlangt und konnte als Übungsleiter mit B-Lizenz und Profilen im Rehasport sofort loslegen. „Die unmittelbare Nähe des Vereins zur Uni und die Verbindung zwischen Studium und gleichzeitiger Berufserfahrung waren ideal“, erklärt Zilles. Zwischen beiden Institutionen gibt es eine Kooperation – so dass regelmäßig Student*innen im Verein arbeiten können. Für Zilles der ideale Einstieg ins Berufsleben. Anfangs leitete er drei Kurse wöchentlich. Inzwischen ist er fest angestellt und leitet selbst die studentischen Praktikant*innen an. „Ich bin total glücklich mit meiner Arbeit, wobei ich das eigentlich gar nicht wirklich als Arbeit bezeichnen kann“, entgegnet Zilles, der inzwischen ein zusätzliches Masterstudium begonnen hat. „Es erfüllt mich sehr, weil ich merke, wie wir Menschen mit den Kursen auf unterschiedliche Weise helfen können. Ich habe wirklich tolle Kollegen. Ohne die gute Zusammenarbeit im Team könnten wir als Verein den Menschen nicht so helfen wie wir es tun. Das gibt mir ein gutes Gefühl.“
Weitere Infos zum Rehabilitationssport und der Kampagne "Rehasport ist für mich..." finden Sie hier.
Quelle: Stefanie Bücheler-Sandmeier / DBS